Als Sozial- und Kulturpsychologin nutze ich experimentelle Methoden ebenso wie qualitative Interview-, Beobachtungs- und Archivdaten. Zwei Betrachtungsweisen prägen meine Forschung: Erstens fasziniert mich, wie Menschen gemeinsam mit anderen und in unterschiedlichen kulturellen Räumen Bedeutung erzeugen und dabei unterschiedliche Wissensbestände nutzen und wie diese Bedeutungen wiederum Handeln und Verhalten hervorbringen. Zweitens nehme ich die Körperlichkeit menschlichen Erlebens und zwischenmenschlicher Interaktionen in den Blick – zum Beispiel indem ich die Verknüpfung von räumlichen Positionen mit sozialen Rollen und Beziehungen analysiere.
Thematisch arbeite ich aktuell zu Menschenmengen und Fußgängern. Hier spielt der Körper eine entscheidende Rolle: Menschen kommunizieren und orientieren sich in Menschenmengen häufig nonverbal durch Körpersprache und Bewegungsimpulse. Wie genau auf diese Weise soziale Normen wahrgenommen, ausgehandelt oder verändert werden, erforsche ich gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen anhand von großen Experimenten und mithilfe von Beobachtungs- und Befragungsmethoden. Rekonstruktiv lässt sich zudem untersuchen, welche Verhaltensweisen in gefährlichen Gedrängesituationen auftreten. Eine weitere wichtige Forschungsfrage bezieht sich auf die Ausbreitung von Emotionen und motivationalen Zuständen in Menschenmengen. Es wurde zwar überzeugend gezeigt, dass sich psychische Zustände in Menschenmengen nicht wie ein Lauffeuer ausbreiten, ob und wie sich allerdings tatsächlich die Motivation oder die Emotionen in Abhängigkeit von der Situation und dem Verhalten anderer ändern, sind offene Forschungsfragen.
In einem zweiten Forschungsfeld untersuche ich die Vorstellungen von Eltern zu Independenz und Interdependenz in Eltern-Kind-Beziehungen. Im deutsch-türkischen Kulturvergleich lassen sich sowohl ähnliche als auch unterschiedliche Vorstellungen zu „guter“ Elternschaft herausarbeiten – gemeinsam ist aber allen Eltern, dass sie sich mit konkurrierenden Ideen auseinandersetzen und eine eigene Position finden müssen. Hierbei interessieren mich Prozesse der Transformation, Übersetzung und Neukombination von Wissen, insbesondere von populärwissenschaftlichem, psychologischem Wissen. In diesem Forschungsfeld betrachte ich psychologisches Wissen aus soziologischer und historischer Perspektive - und schließe damit auch an meine früheren Arbeiten an, in denen ich mich unter anderem mit dem Einfluss kultureller Vorstellungen über Geschlechterverhältnisse auf die psychologische Theoriebildung auseinandergesetzt habe.
Bevor ich 2024 als Jülicher Professorin an die BUW und das Forschungszentrum Jülich berufen wurde, war ich von 2022-2024 als Assoziierte Professorin für Kultur- und Sozialpsychologie an der Universität St. Gallen tätig. Promoviert (2013) und habilitiert (2022) habe ich an der Ruhr-Universität Bochum an der Schnittstelle von Psychologie und Soziologie am Lehrstuhl für Sozialtheorie und Sozialpsychologie. Psychologie habe ich in Freiburg und Köln studiert und mit dem Diplom abgeschlossen (2007). Am Goldsmiths College in London habe ich einen zusätzlichen Master in Gender & Culture absolviert (2008).